Offener Brief zum Abrißvorhaben Quäkerstrasse

Offener Brief zum Abrißvorhaben Quäkerstrasse

Sehr geehrter Vorstand der Baugenossenschaft Familienheim Freiburg!

Sie haben in Ihrem Ankündigungsbrief vom 14.6.17 mit dem Alter der Bauten in der Wiehre argumentiert: dass sie 60-80 Jahre alt sind und eine Prüfung der Bausubstanz durch Sachverständige angekündigt. Wenig später (20.9.17) haben Sie uns darüber informiert, dass abgerissen wird – wobei Sie das Wort vermeiden und lieber von „Neuerrichtung“ sprechen, das klingt besser.

Wir haben aber nichts über den Inhalt der Sachverständigen-Prüfung erfahren, nur ihren Beschluss des Abrisses für die Quäkerstraße 1,3,5,7,9. Das ist ein intransparentes Vorgehen – was fanden denn die Sachverständigen heraus? Wie Sie uns mitgeteilt haben, sollen die Gebäude aus „strukturellen und planerischen Notwendigkeiten“ abgerissen werden, gravierende bauliche Mängel, die einen Abriss unumgänglich machen, liegen also demnach nicht vor.

Sie versichern uns: „Wir möchten weiterhin und auch langfristig den Interessen unserer Mitglieder gerecht werden.“ Aber kennen Sie diese auch? Die im Planungsgebiet wohnenden Mitglieder jedenfalls haben Sie nicht nach ihren Interessen gefragt. Und bei den etwa 300 betroffenen Wohneinheiten handelt es sich immerhin um einen Anteil von 11,4% der 2.700 Wohneinheiten der Familienheim Freiburg Baugenossenschaft eG.

Sie regieren von oben nach unten und meinen, die „Genossen“, die Ihre Gehälter garantieren, in sehr wichtigen Angelegenheiten nicht beteiligen zu müssen. Durch die Initiativen der Bewohnerinnen und Bewohner und unsere interne Befragung, die Ihnen zugeleitet wurde, sind Sie über die Ansichten vieler Bewohner hierzu informiert worden – und haben so einen Hauch von Demokratie erlebt, die Sie nicht praktizieren. Wir, die wir in den Bauten wohnen, bezweifeln, dass ein Abriss unabwendbar ist, denn es wohnt sich in den Gebäuden recht gut, abgesehen von kleineren Mängeln, die nicht die Bausubstanz betreffen.

Wenn Sie sich in der Wiehre umsehen, können Sie viele alte Häuser, meist Villen, sehen, die hundert und mehr Jahre alt sind. Warum lassen die Eigentümer sie nicht abreißen und durch Betonblocks ersetzen? Haben sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt? Nein, sie sind klug, indem sie die alte Bausubstanz erhalten. Zugegeben: die Häuser im Bereich Adalbert-Stifter-Straße/ Dreikönigstraße/ Türkenlouisstraße/ Quäkerstraße/ Prinz-Eugen-Straße und des Gerwigplatzes sind nicht genauso „schön“ wie Villen, aber sie sind charakteristisch und prägen das Bild der Wiehre deutlich. Die Häuser sind gewissermaßen historische Denkmäler, die auch aus diesem Grund nicht abgerissen werden sollten. Sie abzureißen und durch Stahlbetonblocks mit Flachdächern zu ersetzen, ist zu kurz gedacht. Aber diese Strategie nützt natürlich, das sei zugegeben, der Bauwirtschaft. Die sollte allerdings nicht vor uns, den Genossen, den Vorrang haben.

Ihre Vorzeigebetonblocks in der Quäkerstr. 2-4 und dahinter waren sehr teuer, Sie schrieben, dass sie ca. 12 Mio. Euro kosteten. Und dann kam in Ihrer Hochglanzbroschüre dazu die lapidare Bemerkung: „Dies führt zu einem Quadratmeterpreis von 13,50 Euro“ für die Attika-Wohnung. Das mag für einen Immobilienhai angemessen sein, nicht aber für eine Baugenossenschaft, denn es verrät die Genossenschaftsidee. So waren die wohlhabenden Mieter in der Quäkerstraße 2-4 zunächst überwiegend gar keine Familienheimmitglieder/-anwärter, sondern traten erst bei Einzug bei. Sie, Frau Dziolloß, äußerten sich im Sommer 2011 in einem Artikel der Badischen Zeitung dazu folgendermaßen: „Wir erschließen mit diesen hochwertigen Gebäuden auch neue Mitgliederkreise“. Sie schreiben nun zwar in Ihrem Brief vom 20.9.17 an uns, dass Sie „die Wohn-/Sozialstruktur erhalten wollen“, aber Ihre Taten (Quäkerstr. 2-4) sprechen eine andere Sprache. In der Bibel steht: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Selbst Preise von 9,50 bis 10,50€ Grundmiete wie im Familienheim-Neubau Komturstr./ Ecke Rennweg oder im Neubau am Seepark bedeuten im Zusammenhang mit den dort grundsätzlich größer geschnittenen Wohnungen, dass viele aus dem Quartier am Wiehre-Bahnhof sich solche Wohnungen nicht leisten könnten, sollten entsprechende Bauten hier errichtet werden. In diesem Falle würden Sie aktiv Gentrifizierung betreiben, wie man es auch von andernorts kennt. Hinzu kommen die wesentlich höheren Nebenkosten bei Neubauten. Nach Ihrer – zunächst beruhigend klingenden – Ankündigung, sie wollten Wohnungen schaffen, die 30% unter dem Mietspiegel liegen konnten wir durch konkrete Berechnungen nachweisen (siehe www.wiehre-für-alle.de Seite 7 ff), dass die Ankündigung des Familienheims unterm Strich für die Betroffenen dennoch ungefähr eine Mietsteigerung von bis zu 50% bedeutet.

Die Blocks Quäkerstr. 2-4 und dahinter werden ohne umfangreiche Sanierungsmaßnahmen wahrscheinlich nicht einmal das Alter erreichen, wie die Häuser in der Quäkerstraße 1-9, die Sie nach rund 65 Jahren nun abreißen wollen, und die problemlos noch wesentlich länger halten könnten – wie die Villen in der Wiehre – und die etwas Charakteristisches haben – anders als die zahllosen gesichtslosen Betonblocks, die überall in Freiburg errichtet werden. Ihre Baupolitik ist kurzsichtig und schon gar nicht im Interesse der Genossen. Wenn Sie uns in einem Brief vom 15.08.2017 schreiben, Sie müssten bei der Wohnbestandsentwicklung auch an zukünftige Generationen von Mitgliedern denken, so kann dies kein Argument sein, gegen den Willen der heute lebenden Genossen zu handeln, denn deren soziale Lage und Ansichten zur Bestandsentwicklung werden nicht anders als die der Lebenden sein, die Ihnen mitgeteilt worden ist.

Nach Ihrer Einladung zur Informationsveranstaltung am 9.11.17 für vom Abriss Betroffene erscheint Ihre Ankündigung, dass man nur mit Einladung und Vorlage des Personalausweises eingelassen wird als eine konsequente Maßnahme, die Ihre ganze Politik gegenüber den Mitgliedern verdeutlicht.

Wiehre für alle, Dr. Ulrich Oberdiek, Bertold Albrecht